Paul Maar- Idol meiner Kindheit und den meisten vermutlich durch die Sams Reihe bekannt. Seine Figuren prägten Millionen Kinderherzen und schufen Platz für Fantasien und Träume, nicht zuletzt durch die Verfilmungen mit Christine Urspruch. Der Autor selbst zeigt sich mit diesem ersten autobiografischen Werk von einer ganz anderen Seite als die lustig hinreissenden Kinderbücher es vermuten lassen. Der 'Roman meiner Kindheit', wie Maar das Buch untertitelt, ist Zeugnis seines Großwerdens, Freundschaften-Schließens und schließlich Liebe-Findens. Dass sich all diese Episoden als hürdenhaft erwiesen beweist dieser Roman in sachter Heranführung an ein Leben, das schon jetzt merkwürdig greifbar und doch so unantastbar erscheint. Es ist ein gänzlich neuer Blick auf einen altbekannten Autor, der zurecht erklärt, wie alles kam.
Es scheint mir kaum ein Gegenstand schwieriger zu beschreiben als das eigene Leben, ein unabgeschlossenes Netz mit sich laufend erneuernden Verknüpfungen und auch sich auslöschenden. Diese Erfahrung prägt den Roman insbesondere im Hinblick auf Paul Maars Ehe mit Nele Maar. Seine an Demenz erkrankte Frau spielt eine der Hauptrollen seines Lebens und das liebevoll-intensive Verhältnis der beiden wird mit jedem Wort deutlicher, wird gesteigert und in der Schwebe gehalten mit dem Ende des Romans: "'Warum muss ausgerechnet Nele diese unselige, beschissene Krankheit bekommen', rief ich. 'Wär's dir lieber, du hättest sie gekriegt?' fragte Konrad. 'Mit wem hätten wir dann auf Tour gehen sollen?" (Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit. Frankfurt am Main 2020, S. 215.). Maar findet offene Worte für die Ungerechtigkeit, die hinter den Zufälligkeiten des Lebens steckt. Aus dieser Ehrlichkeit heraus lässt sich aber auch eine tiefgehende Liebe erkennen, die die Beziehung zwischen Nele und Paul kennzeichnet.
Den Beginn der Geschichte setzt Maar dabei traditionellerweise in seiner Kindheit, an seinem 4. Geburtstag, und arbeitet sich so chronologisch voran. Eine Kindheit im Krieg, konfrontiert mit den Nöten und Sorgen einer ganzen Familie wächst der junge Paul auf zwischen aufkeimender Liebe und Geborgenheit ebenso wie mit Züchtigung und Gehorsam.
'Ich versetzte mich nicht in die Vergangenheit, indem ich versuchte, bestimmte Gerüche herzustellen und mich an ihnen in die Kindheit zu hangeln, mir genügte die Erinnerung daran. Stellte ich mir etwa den Geruch des Montagmorgens vor, entstand vor mir das Bild der Gastwirtschaft meiner Großeltern.' (Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit. Frankfurt am Main 2020, S. 13.)
Der Familie kommt in Maars Kindheit eine besondere Rolle zu. Als Dreh- und Angelpunkt ist sie zunächst der einzige feste und beständige Bezugspunkt, die der Junge innehält. Diese Rolle relativiert sich mit dem Hinzukommen eines festen Freundeskreises, der zunächst durch die kriegsbedingten Ortswechsel erschwert wurde. Paul, der Künstler, wie seine Rolle im Freundeskreis zugeordnet wird, fällt dabei schon früh durch sein außergewöhnliches Geschick auf, das sich langsam von gezielten Pinsel- und Bleistiftstrichen zu kleinen Kunstwerken hin zur Literatur hin verschiebt. Paul Maar beginnt seine Karriere als Theaterautor, erst allmählich beginnen sich die Ideen für Kinderbücher zu sammeln.
Es ist wohl ein Buch, das sehr viel mehr über die wichtigsten Episoden eines Lebens Aufschluss gibt als es den Anspruch auf Genauigkeit und Historizität erhebt. Man kann förmlich spüren, wie individuell dieses Buch gestaltet wurde und welche Bedeutung es für den Autor und die ihn umgebenden Menschen haben muss. Und gerade diese persönlichen Einblicke, die Banalität des Kartoffeln-Schälens, die Farben der Häuser, all das ergibt einen lebendigen Eindruck über ein Leben, das schon längst mit unseren verknüpft war. Und jetzt noch ein bisschen mehr.
Quelle: Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit. Frankfurt am Main 2020.
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